Werk. Qualität. Wert.
„whitecane IO“
Der Deutsche Werkbund Hessen ist ein interdisziplinärer Verein aus
Menschen, die sich aktiv an der Gestaltung einer qualitätvollen Lebenswelt beteiligen. Was wir unter „Qualitätvoll“ verstehen, möchten wir in der Ausstellungsreihe „Werk. Qualität. Wert.“ anhand guter Beispiele aufzeigen.

Foto: Jochen Denzinger
IO
Fünf Gründe, warum der Weiße Langstock „IO“ exemplarisch für Qualität steht:
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Teilhabe ist soziale Nachhaltigkeit.
Für sehbehinderte Menschen stellen Bordsteinkanten, Unebenheiten auf Straßen oder Gehwegen, sowie Treppenstufen große Hindernisse dar. Und unvermittelt kommen neue hinzu – ein parkendes Auto oder das vor der Tür mal eben abgestellte Fahrrad. Ein Weißer Langstock, Taststock, Faltstock oder umgangssprachlich „Blindenstock“ hilft Menschen mit Sehbeeinträchtigung, sich sicher und selbstbestimmt im öffentlichen Raum bewegen zu können und mobil zu sein.
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Ergonomie, exzellentes Handling und Sichtbarkeit
für Nicht-Sehende.
IO ist sehr leicht, stabil und tastsensibel. Der geschwungene Griff folgt der natürlichen Handhaltung, erlaubt vielfältige Griffpositionen und entlastet das Handgelenk. Ein patentiertes Gelenk lässt den Stock beim Zusammenstoß mit Hindernissen nachgeben und schützt Mensch und Langstock vor Schaden. Der Langstock ist faltbar und verfügt dennoch über die erforderliche Taktilität, die eine gute Reizleitung und damit geübten Nicht-Sehenden ein gutes Erkennen ihrer Umgebung ermöglichen.
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Erkennbarkeit und entstigmatisierte Gestaltung für Sehende.
Die neon-gelbe Reflexionsfolie des mit Designpreisen ausgezeichneten Langstocks sorgt für hohe Sichtbarkeit auch bei allen sehenden Verkehrsteilnehmern, ohne zu stigmatisieren. Erst diese Sichtbarkeit ermöglicht das Wirkprinzip „Solidarität“.
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Die Komplexität im Einfachen.
Ein Stock ist ein Stock ist ein Stock? Kaum. Ergonomie, Gewicht, Balance, Taktilität spielen im kleinsten Detail eine zentrale Rolle, um Nicht-Sehenden die Erweiterung ihre Sinne durch ein Werkzeug zu ermöglichen.
Dies ist ein kontinuierlicher, partizipatorischer Prozess, bei dem die langstocklaufenden Anwender*innen von Anfang an einbezogen sein müssen – kein Vorstellungsvermögen und keine Simulation kann die praktische Erprobung durch Blinde ersetzen. Das ist Human-Centred Design, wie es im Buche steht.
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Interdisziplinäre Entwicklung
Der Designer Tobias Stuntebeck hat 2007 im Rahmen seiner Diplomarbeit einen Weißen Langstock entworfen. Seither arbeitet er zusammen mit den Ingenieuren Dr. Lüder Mosler und Dr. André Müller im Detail an der Optimierung des Geräts. Unter dem Namen IO ist der Langstock als medizintechnisch zertifiziertes Produkt seit 2020 auf dem Markt.
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Hintergrund – Zur Geschichte des Weißen Stocks
Der Weißer Langstock unterstützt sehbeeinträchtigten und blinden Menschen dabei, sich sicher und selbstbestimmt in ihrer Umwelt bewegen zu können. Als offizielles, international anerkanntes Schutz- und Erkennungszeichen gewährleistet er zudem Sicherheit im Straßenverkehr und sorgt für die Sichtbarkeit der Sehbeeinträchtigten.
Die Idee dazu hatte die französische Designerin Guilly d’Herbemont, die am 7. Februar 1931 den ersten von insgesamt 5.000 Weißen Stöcken an die blinde Madame Conan im Rahmen einer offiziellen Feier in Paris überreichte. Heute blicken wir auf eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Der Weiße Stock ist auch nach fast 100 Jahren noch immer das Maß der Dinge, um als sehbeeinträchtigte und blinde Person unabhängig mobil zu sein. Es gibt keine vergleichbare andere Möglichkeit.
Das 100-jährige Jubiläum am 7. Februar 2031 ist der Anlass, diese gesellschaftliche
Errungenschaft für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit zu feiern, sichtbar zu machen, zu bewahren und weiterzuentwickeln. Ziel ist es, mehr als 5.000 Stöcke auf der Champs Elysées zu sehen und den Eiffelturm zu Ehren Guilly d’Herbemonts weiß zu illuminieren.
Das Konzept dafür ist einfach: Im Rahmen der Vorbereitungen für die Jubiläumsfeier bilden sich Interessensgemeinschaften aus bestehenden Strukturen, d.h. Verbände, Vereine, Unternehmen, Stiftungen etc., die sich auf Grundlage der eigenen Belange und Möglichkeiten dem Thema annehmen. Bisher haben sich das IRIS Institut, die Ernst und Elfriede Griebel-Stiftung, die Hans Sauer Stiftung, das Institute for Design Research and Appliance (IfDRA) des Rat für Formgebung und das Unternehmen whitecane. der Initiative angeschlossen.
Je mehr und je vielfältiger der Weiße Stock auf dem Weg nach Paris sichtbar wird, desto größer ist die Chance, dass die Beachtung in der Gesellschaft wächst. Gefeiert wird dann international und vor Ort, am 7. Februar 2031 in Paris.
Vive la canne blanche!

Foto: Presseagentur Meurisse, Paris, Sammlung Tobias Stuntebeck