Tel Aviv – Alles Bauhaus? Alles weiß?
Fotografien von Gerd Kittel, Ausstellungseröffnung am 28. August 2020
Manchmal versteckt hinter wucherndem Grün, manchmal leise zerbröselnd, manchmal in strahlendem Weiß oder in verhaltenen Ockertönen: Über 4.000 Gebäude erzählen von einer Zeit, in der die Moderne dem aufstrebenden Tel Aviv zwischen den Weltkriegen ein Gesicht gab. Bauhaus Architektur, so sagt man oft vereinfachend. Verbindungen gab es, aber auch aus anderen europäischen Ländern stammten die jüdischen Baumeister, die zusammen mit ihren Glaubensbrüdern und -schwestern in Palästina Schutz vor Vertreibung und Verfolgung suchten.
Die Internationalität der Architekten mag ein wesentlicher Grund sein für die Vielfalt gestalterischer Lösungen bei der Errichtung dieser Wohn- und Zweckbauten, die man in Tel Aviv bewundern kann und die seit 2003 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählen.
Die Bauhaus Architektur heute
Bis in die Gegenwart lassen sich Architekten und Bauherren von der Formensprache dieser Architektur inspirieren. Interessierten und Touristen bietet das Bauhaus Center Tel Aviv Führungen durch die Stadt. Mit dem White City Center entsteht, unterstützt von der deutschen Regierung, ein Informations- und Arbeitszentrum, das sich baukulturellen und denkmalpflegerischen Aufgaben widmet.
Das Besondere und das Wunderbare an Tel Aviv: Hier lassen sich Bauten der Moderne nicht als vereinzelte und museal gepflegte Ensembles erfahren, hierkann diese Architektur kilometerlang erlaufen und in aller Lebendigkeit im städtischen Raum erfahren werden. Diese Gebäude sind Alltag, sie werden genutzt, verbaut und verbraucht, manchmal verschandelt, manchmal sorgfältig renoviert. Und immer noch lässt sich das ursprüngliche stadtplanerische Konzept einer bewohnerfreundlichen Gartenstadt nachvollziehen. Lernen lässt sich hier einiges, auch, dass Architektur Freude machen kann, wenn sie Dogmen nicht exekutiert, sondern spielerisch interpretiert.
In seinen freien Arbeiten hat sich Gerd Kittel immer fotografischen Aufgaben im Bereich der Architektur gewidmet. Dass für ihn die Betrachtung von Architektur mit dem Aufspüren gesellschaftlicher Befindlichkeiten zusammenfällt, zeigte er schon in seinen Studien über den Amerikanischen Diner und seinem Buch über die Rt 66. In Kooperation mit dem Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt, realisierte er Buch und Ausstellung zum Werk Pfieffewiesen der B. Braun Melsungen AG von James Stirling. Eine Publikation und Installation im Museum Ostwall, Dortmund, erinnerte an das Dortmunder Gesundheitshaus von Will Schwarz, einem beispielhaften Bau der 50er Jahre. Zuletzt, in einer Veröffentlichung des Deutschen Werkbunds Hessen über den neugebauten Frankfurter Stadtteil Riedberg, beschäftigte er sich mit der zeitgenössischen Deutschen Wohnarchitektur. 2018 führten ihn Recherchen zur Architektur der Moderne nach Italien und Tel Aviv, wo die im WerbundForum präsentierten Bilder entstanden sind.