Nachruf Rolf Schmidt
geb. 23.3.1930, gest. 29.6.2024
Rolf Schmidt ist jetzt im hohen Alter von 94 Jahren gestorben. Ein Architektenleben, wie man es sich voller und praller kaum vorstellen kann, ist zu Ende gegangen. Sein alle Bauaufgaben umfassendes Werk gehört zeitlich wie auch aus Überzeugung vor allem in die Phase der Nachkriegsmoderne, manche sagen der 2. Moderne, die von der klassischen Moderne der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entscheidend geprägt, aber in der Not und Eile des Wiederaufbaus den innovativen Charakter der Vorbilder doch nicht wirklich erreichte. Denkt man aber z.B. an Architekten wie Sep Ruf oder Egon Eiermann, ist diese Architektur doch von verblüffender Klarheit und Sauberkeit in den großen Bauaufgaben. So bezieht sich Rolf Schmidt gerne auf einen Frankfurter Architekten des Übergangs, Ferdinand Kramer, dem er sein eigenes Wohnhaus in Bad Soden widmete.
Mit geradezu spielerischen Entwürfen suchte Rolf Schmidt eigene, besondere Akzente durch Runderker oder umlaufende Balkons zu setzen, neue Raumfolgen und Transparenz zu erproben. Ein wichtiges Instrument dieser Suche waren ihm Wettbewerbe, in deren Anforderungen er sich gerne experimentell wie kritisch vertiefte, oft mit dem Erfolg eines Preises. So entstand neben seinen realisierten Projekten, die er in der Broschüre »Rolf Schmidt – 40 Jahre Architektur und Gestaltung« präsentierte, ein Parallelwerk von Wettbewerbsentwürfen. Wettbewerbe dienten ihm in seiner späten Phase auch als Gelegenheit, sich kritisch einzumischen. So bei der Entwicklung des Geländes der Deutschen Bundesbank vor den Toren Frankfurts oder des Kulturcampus Bockenheim nach Umzug der Goethe-Universität in den Poelzig-Bau im Westend.
Bei vielen Projekten war Johannes Peter Hölzinger anregender Gesprächspartner; die beiden kannten sich schon aus der Zeit des gemeinsamen Studiums an der Frankfurter Städelschule bei Prof. Johannes Krahn. Hölzinger fasste viel später im Vorwort der erwähnten Broschüre Schmidts Architektur markant in drei Punkten zusammen: Generalist, Weiße Moderne und Wettbewerbe. Und ergänzte: „Integration war das Zauberwort“. Integration hieß nicht nur eine konsequente Abstimmung der Gestaltung von Gebäuden und deren Innenräumen bis hin zum Mobiliar, sondern besonders auch von Architektur und Städtebau, also der Berücksichtigung der grünen wie baulichen Umgebung. Das war für Architekten nicht selbstverständlich.
Eine zweite Lebensmitte bildete für Rolf Schmidt der Werkbund, speziell der hessische Werkbund, dessen Vorsitzender er von 1979 bis 1988 war. In dieser Zeit entstanden neben vielen Aktivitäten und Projekten Dokumentationen z.B. zu Henry Gowa, dem Künstler und Direktor der damaligen Werkkunstschule Offenbach oder und dem Team Schwagenscheidt/Sittmann, den Architekten der Frankfurter Nordwest-Stadt, soweit sie ihre innovative Planung durchsetzen konnten. Spannend und phantasievoll war der Katalog der hessischen Mitglieder zum 75jährigen Jubiläum. Ein Vermächtnis – und Anregung zur Wiederholung bei Gelegenheit, schon weil die Struktur der Mitglieder heute interdisziplinärer, weiblicher und jünger ist.
Sein größter Erfolg aber war, die Stadt Frankfurt und den legendären Kulturdezernenten Hilmar Hoffmann in hartnäckigen Verhandlungen überzeugt zu haben, die alte Stadtbibliothek in der Weißadlergasse dem Gesamtwerkbund sowie dem hessischen Werkbund als Kulturort zu überlassen, verbunden mit einer großzügigen finanziellen Unterstützung.
Das führte zu zahlreichen Ausstellungen und Aktivitäten des Werkbunds mit bundesweiter Beteiligung. Eine Glanzzeit. Ende der 90iger war das leider schon wieder vorbei und hinterlässt die Frage, ob ein solcher zentraler Werkbundort noch einmal möglich sein könnte, wo auch immer. Dafür wäre wohl ein zielstrebiges und unbeirrbares Temperament eines Rolf Schmidt unverzichtbar.
Jochen Rahe im Juli 2024