Nachruf Gerhard Lienemeyer

geb. 01.02.1936, gest. Juni 2025

Sein Leben war dem Grafikdesign  in allen Anwendungen gewidmet; Plakate, Zeitschriften, Bücher, Briefmarken, alle möglichen Mitteilungen. Er vergaß nie anzumerken, er sei Grafiker und Typograf. Das war ihm wichtig, denn es signalisierte eine solide Nähe zur handwerklichen Seite der Gestaltung. Kenntnis aller Schrifttypen, deren Entstehung und Charakter, der bedachtsame Umgang damit im Entwurf, das war seine Arbeitsgrundlage.  Atmosphäre, Lesbarkeit, Funktionalität mussten mit den Zielen des Auftraggebers übereinstimmen.
Parallel dazu entstanden Bildideen, sachlich, doch immer auch überraschend und originell, oft humorvoll. Das war schon so in der Partnerschaft mit Rambow und van de Sand in Frankfurt und setzte sich dann in den 90iger Jahren  fort in seinem eigenen neu gegründeten Atelier in Offenbach. Bei der Bildsuche hatte die Fotografie für Gerhard Lienemeyer meist Priorität, am liebsten war ihm schwarz-weiß. Geduldig recherchierte er geeignete Motive, reiste zu Archiven oder fotografierte auch gerne selber. Es musste einfach stimmen und es stimmte eigentlich immer. Auf einem Plakat für das Städel war die gesamte Sammlung in Kleinstfotos zu sehen. Das wiederholte sich noch mal auf der Titelseite des Werkkatalogs für Ferdinand Kramer, mit dem eine  Schriftenreihe der Architektenkammer Hessen begann.  Die intensive Bildsuche war auch das Geheimnis seiner vielen gewonnenen Briefmarken-Wettbewerbe, ob es nun um eine Schmetterlings-Serie, um den sensiblen Heinrich Heine  oder um den selbstbewussten Albert Einstein ging. Und auch meine Verlagsprojekte später – u.a. biografische Bücher von Lore Kramer oder Paulfriedrich Posenenske – strahlten diesen Geist aus. 
So war es auch mit den vielen Plakaten, Buch- und Zeitschriftentiteln, die im Offenbacher Atelier entstanden.  Die Auftraggeber waren in der Nähe und zugänglich für das persönliche Gespräch, die Stadt Hanau, der Werkbund Hessen, die Zeitschrift DIE für Erwachsenenbildung mit den wunderbar minimalistischen Titelseiten, und vieles andere;  Nähe,  Direktheit, Kommunikation gehörten immer zum Arbeitsprozess . Für den Werkbund Hessen entstanden 13 Folgen einer  „Zeitung“ mit einfachsten Mitteln. Auf Seite 1 erschienen zufällige analoge Fundstücke von Handschriften, Briefstellen, Kritzeleien: Zeugnisse  von Arbeitsprozessen.

N-EINe wundersame Geschichte 1.1.1994

Gerhard Lienemeyers Arbeit war begleitet und inspiriert von privaten Experimenten und der Lust auf neue Ideen.  So entstanden verrückte Postkarten oder surrealistische Collagen; oder auch Freundschaften mit Künstlern und Kollegen wie Kita Kittl oder Hans Hillmann. Im Mittelpunkt dieser sehr persönlichen künstlerischen Forschung stand der Schriftzug NEIN, der zu einem in sich geschlossenen puristischen Emblem geronnen war, ein Signal kritischer, aber auch witzig-spielerischer Distanz zur Welt um ihn herum. Das schloss ein neugieriges  Ja  zu ihrer  kreativen Buntheit durchaus ein. Die vielfältigen Varianten der NEIN-Bilder, meist im Siebdruck, schickte er jeweils zum Jahresanfang, seinen Freunden, allen, die seine Arbeit begleiteten. Es war zugleich eine Einladung in sein Offenbacher Atelier  zu einer kleinen Weinprobe.  Ein willkommener gastlicher Jahresbeginn an seinem Geburtstag. 
Das wird es nicht mehr geben. Gerhard Lienemeyer ist Ende Juni 2025 gestorben.

Jochen Rahe

 

 

 

Datum

09.07.2025

Verfasser

Jochen Rahe

Tags

Mitteilungen
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