Nachruf auf Prof. Fritz Novotny
14. Mai 1929 – 17. Dezember 2018
Wer in den 1970er bis 1990er Jahren als Gast das Architekturbüro N+M, Novotny-Mähner Assoziierte in Offenbach am Main besuchte und aus dem Fahrstuhl in der Chefetage ausstieg, dessen Blick blieb zunächst an einem riesigen, freistehenden, raumhohen Regal, vollgestopft mit hunderten farbig gerändelten Transparentrollen realisierter Bauvorhaben, hängen. Sehr schnell war dem Besucher klar: Hier wird richtig, richtig viel gebaut!!!
Die Architekten Fritz Novotny und Arthur Mähner waren nicht nur über fünf Jahrzehnte Büropartner, sondern auch Freunde seit Jugend her. Beide wurden sie in Böhmen, heute: Tschechien, geboren. Fritz Novotny stammte aus Leitmeritz an der Elbe (heute: Litoměřice), Arthur Mähner aus Liebenstein bei Eger (heute: Libá) .Beide besuchten die Staatsbauschule in Tetschen an der Elbe. Da für Mähner die tägliche Anfahrt von seinem Heimatort zu weit war, wurde er von Mutter Novotny unter der Woche für Kost und Logis aufgenommen. Die daraus erwachsene Freundschaft der jungen Männer hielt lebenslang.
Nach 1946 siedelte Fritz Novotny nach Groß-Gerau über und gründete mit Arthur Mähner 1950 dort ein Architekturbüro. Als Ausdruck ihrer bemerkenswerten Freundschaft mag die Tatsache gelten, dass die beiden Büropartner nochmals hintereinander an der Technischen Hochschule Darmstadt studierten und das Diplom machten: Jeweils einer durfte studieren, während der andere im gemeinsamen Büro für beide das Geld verdiente.
Nachdem beide nach 1959 das Diplom der TH Darmstadt in der Tasche hatten, gaben sie als Architekten »richtig Gas«. Von Anfang an waren sie ihren Vorbildern der Moderne: Frank Lloyd Wright, Mies van der Rohe u.a. verpflichtet und sind dieser Überzeugung treu geblieben, wenngleich sie in den späteren Jahren auf Grund der großen Summe der Projekte Abstriche machen mussten.
Der Ende der 1950er Jahre gewonnene Architekturwettbewerb für das Stadtkrankenhaus in Offenbach am Main war Anlass, das Büro nach Offenbach zu verlagern und in einem Hinterhof in der Johannes-Morhart-Straße im Nordend neu anzufangen. Zusammen mit Fritz Reichard bauten sie von 1966-1974 dieses Großklinikum.
Wichtiger Meilenstein für Fritz Novotny war der Neubau des nach ihrer Bürogemeinschaft N+M benannte Bürogebäude in der Innenstadt von Offenbach, das 1972 bezogen wurde.
Bemerkenswert auch war die erfolgreiche Wettbewerbsteilnahme des Büros. – Von 100 Realisierungsaufträgen waren je 70 Projekte vorangegangenen Wettbewerbserfolgen zu verdanken.
Das Büro von Fritz Novotny und Arthur Mähner baute alles, was es an großartigen Bauaufgaben gab: viele Krankenhäuser und Großkliniken im In-und Ausland, Büro-und Verwaltungsgebäude, Flughafengebäude, Sozialeinrichtungen, Rathäuser, Schwimmbäder, Schulen und Hochschulen, Kulturbauten, Feuerwehrstützpunkte, Hotelanlagen, Ferienanlagen und vieles mehr. Durch diese umfangreichen und vielfältigen Projekte wuchs das Büro in der Spitzenzeit auf 265 Mitarbeiter in einer Vielzahl externer Büros zu einem der größten Architekturbüros in Deutschland. So bestanden in dieser Zeit Zweigbüros u.a. in Berlin, Bielefeld, Bonn, Bozen, Meran, Luxemburg, Darmstadt und München.
Es würde den Rahmen sprengen, wollte man alle großen Projekte hier aufzählen. In der 1997 erschienenen Werkmonografie (Karl Krämer Verlag, Stuttgart) »Novotny-Mähner Assoziierte, Architektur aus fünf Jahrzehnten« hat das Büro auf 646 Seiten ein wahrhaft gewaltiges Lebenswerk ausführlich vorgestellt. Die Monografie wurde leider später nicht mehr fortgeführt. Herausgeber waren Elisabeth Krimmel und Bernd Krimmel, der frühere Kulturreferent auf der Mathildenhöhe Darmstadt. Wichtige Bauvorhaben waren u.a. das Erich-Ollenhauer-Haus (»SPD-Baracke«) in Bonn, die Boeing-Lufthansa-Centrale in Peking und der Beijng-Sun-Flower-Tower, ebenfalls in Peking, sowie mehrere Bürohochhäuser in Frankfurt.
Neben der Arbeit an diesen Bauaufgaben war Novotny ein leidenschaftlicher Sammler sogenannter Naiver Kunst, wozu er 1977 einen prächtigen Bildband mit Arbeiten u.a. von Iwan Generalic, Matija Skurjeni, Pietro Ghizzardi und Josef Wittlich veröffentlichte, mit deutlichem Schwergewicht auf Künstler seiner böhmischen Heimat.
Zu seinen besonderen Leistungen zählte auch sein geradezu pionierhafter Einsatz für die berufsständigen Organisationen der Architektenschaft. Er war von 1968 bis 1975 Gründungspräsident der Architektenkammer Hessen AKH (erste Geschäftsstelle in Frankfurt, Wilhelm-Leuschner-Straße im Gewerkschaftshaus von Max Taut). 1969 wurde er zum Vize-Präsidenten und 1974 zum Präsidenten der Bundesarchitektenkammer BAK gewählt, damals in Bonn.
Die Zeit als Präsident der AKH nutzte er nicht nur für die erstmalige Einrichtung der Architektenliste (Prüfungsausschuss für die Zulassung als Architekt/Architektin bzw. Innen- und Landschaftsarchitekt/-in), für die Gründung einer berufsbezogenen Rentenversicherung, für den Aufbau von Weiterbildung für Architekten (Kontaktstudium, später Akademie der AKH) oder für neue Formen von Öffentlichkeitsarbeit (Plakatausstellung »Plan oder Wahn«), er initiierte auch das Frankfurter Forum für Stadtentwicklung e.V., die Auszeichnung »Vorbildliche Bauten in Hessen« (mit Schriftenreihe) und den Preis der Architektenkammer Hessen, der allerdings nur einmal vergeben wurde, in Form einer Werkmonographie für Ferdinand Kramer (Autor: Jochem Jourdan).
Auch in der Lehre war Fritz Novotny tätig. Ab 1971 unterrichtete er als Lehrbeauftragter an der Gesamthochschule Kassel Architektur und Landschaftsarchitektur und wurde 1973 an diesem Fachbereich als Honorarprofessor berufen.
Nachdem 2004 das Büro N+M in Insolvenz ging, gründete er im gleichen Jahr mit dem Architekt Nikolaus Bader eine neue Bürogemeinschaft in Offenbach am Main.
Fritz Novotny hatte als Architekt stets an sich und seine Arbeit einen sehr hohen Anspruch gestellt. Er war durchsetzungsstark, streitbar und wenn für ihn notwendig auch provokant, aber immer der Idee von Architekturqualität verpflichtet. In einem Presseinterview1998 sagte er über sich selbst. »Absoluten Respekt vor dem Ziel fordert von mir das Beste, wozu ich in der Lage bin, heraus.« Ganz in diesem Sinne und in seiner klaren Position zur Moderne war er über mehrere Jahrzehnte Mitglied im Deutschen Werkbund.
Am 17. Dezember 2018 ist Prof. Fritz Novotny mit 89 Jahren verstorben. Der Deutsche Werkbund Hessen verneigt sich vor dem Verstorbenen und nimmt an der Trauer über den Verlust für seine Familie, vor allem für seine Ehefrau und seine drei Kinder, aufrichtig Anteil.
Gregor Fröhlich und Jochen Rahe, Deutscher Werkbund Hessen